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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In epistulam ad Galatas commentarius Kommentar zu den Briefen des hl. Paulus an die Galater (BKV)
I. Kapitel

5.

Warum also, erwiderst du, hat Paulus die gegenwärtige Zeit eine böse genannt? Er folgte dabei dem täglichen Sprachgebrauche. Auch wir pflegen zu sagen: Ich habe einen schlechten Tag gehabt, wobei wir nicht die Zeit als solche, sondern die Tätigkeit und Umstände anklagen. So bedient sich auch Paulus, wo er gegen die verkehrte Willensrichtung der Menschen Klage erhebt, der herkömmlichen Ausdrucksweise und zeigt, daß Christus uns von den Sünden der Vergangenheit erlöst und für alle Zukunft sichergestellt hat. Durch die Worte nämlich: „welcher sich hingegeben hat für unsere Sünden“ deutet er das erstere an; durch den Zusatz aber: „damit er uns errette aus der gegenwärtigen bösen Zeit“ drückt er die Sicherstellung für die Zukunft aus. Das Gesetz war nicht imstande, auch nur das eine zu bieten, die Gnade aber erwies sich stark nach beiden Richtungen hin. — „Nach dem Willen Gottes und unseres Vaters.“ Da jene Irrlehrer es als Treulosigkeit gegen Gott, den Spender des Gesetzes, erachteten und sich (deshalb) scheuten, vom Alten zum Neuen Bunde überzugehen, berichtigt er auch diesen ihren Irrwahn und erklärt, es sei dies auch dem Vater wohlgefällig. Auch sagt er nicht einfach „des Vaters“, sondern „unseres Vaters“, welchen Ausdruck er beharrlich beibehält, indem er zu ihrer Beschämung zeigt, daß Christus seinen eigenen Vater uns zum Vater gegeben habe.

V. 5: „Welchem Ehre sei in alle Ewigkeit. Amen.“

Auch das ist neu und ungewöhnlich. Sonst finden wir das Wörtlein „Amen“ nie am Anfang und im Eingang eines Briefes gesetzt, sondern immer erst nach einem längeren Abschnitte. Hier indes, um anzudeuten, daß das Gesagte zur Anklage gegen die Galater bereits hinreiche und daß die Auseinandersetzung eigentlich zu Ende sei, S. 30 wählte er diesen Eingang. Denn ein offenbar gerechter Vorwurf bedarf keiner langen Beweisführung. Der Apostel erinnert an das Kreuz und die Auferstehung, an die Erlösung von den Sünden, an die Sicherstellung für alle Zukunft, an den Willen des Vaters, an den Ratschluß des Sohnes, an die Gnade und den Frieden, lauter Geschenke seiner Huld, und schließt mit dem Lobspruche. — Das ist übrigens nicht der einzige Grund, warum er also verfuhr. Er wurde zugleich ganz hingerissen von Staunen über die Größe des Geschenkes und das Übermaß der Gnade, besonders wenn er bedachte, wer wir waren, und was Gott aus uns gemacht hat, plötzlich und gleichsam in einem einzigen Augenblicke. Als könne er dies nicht in Worte fassen, bricht er mit der Doxologie ab und sendet, nicht was sich an Lobpreis gebührt, sondern was er zu geben vermag, für die ganze Welt zum Himmel empor. Deshalb verschärft er auch nach diesen Worten seinen Ton, gleich als wäre er ganz entflammt worden von dem Gedanken an die Wohltaten Gottes. Nach den Worten nämlich: „welchem Ehre sei in alle Ewigkeit. Amen“ beginnt er mit einem ziemlich scharfen Verweise und sagt:

V. 6: „Ich bin befremdet, daß ihr euch so schnell abwenden lasset von dem, der euch berufen hat in der Gnade Christi, zu einem anderen Evangelium.“

Da sie nämlich, ganz so wie die christusfeindlichen Juden, durch die Beobachtung des Gesetzes dem Vater zu gefallen vermeinten, zeigt er zuerst, daß sie durch eine solche Handlungsweise nicht bloß Christus, sondern auch den Vater erzürnen. Nicht (allein) dem Sohne, schreibt er, nein, auch dem Vater werdet ihr durch eine solche Handlungsweise abtrünnig. Denn wie der Alte Bund nicht ausschließlich ein Werk des Vaters war, sondern zugleich des Sohnes, so ist auch die Gnade nicht ausschließlich ein Werk des Sohnes, sondern zugleich des Vaters: sie haben alles gemeinsam. „Alles, was S. 31 immer der Vater hat, ist mein.“1 Indem also Paulus versichert, daß sie auch dem Vater untreu würden, wirft er (ihnen) ein Doppeltes vor: den Abfall an sich und die erstaunliche Schnelligkeit des Abfalls. Auch das Gegenteil wäre tadelnswert gewesen, wenn sie nämlich nach längerer Zeit abgefallen wären; aber hier ist von Täuschung die Rede. Gewiß, auch der verdient schwere Vorwürfe, der nach längerer Zeit zu Falle kommt; aber wer gleich beim ersten Anprall, beim Beginn des Treffens, niedergeworfen wird, bietet ein Bild jammervollster Schwäche. Das wirft er ihnen denn auch vor und sagt: Was soll das heißen, daß eure Verführer nicht einmal Zeit bedürfen, sondern der erste Angriff genügt, um euch alle niederzustrecken und gefangenzunehmen? Wie könntet ihr da Verzeihung erlangen? Wenn dies Freunden gegenüber schon schmachvoll ist und wenn der verdammenswert handelt, der alte und bewährte Freunde im Stiche läßt: dann erwäge, was jener für Strafe zu gewärtigen hat, welcher von Gottes rufender Stimme sich abkehrt! — Mit den Worten: „Ich bin befremdet“ will er sie nicht bloß beschämen, daß sie nach so viel Gnade, nach solcher Sündenvergebung, nach so überschwenglicher Güte aus freien Stücken unter das Sklavenjoch zurückkehrten, zugleich2 aber auch der hohen und ehrenvollen Meinung Ausdruck verleihen, welche er von ihnen hat; denn wenn er sie für gewöhnliche Einfaltspinsel angesehen hätte, würde er sich über das Geschehene nicht gewundert haben; da ihr aber, meint er, tüchtige und verdienstvolle Männer seid, deshalb fühle ich mich befremdet. Eine solche Rede war geeignet, sie wieder zu gewinnen und ins frühere Geleise zu bringen. Auch gegen die Mitte des Briefes zu spricht er den gleichen Gedanken aus, indem er sagt: „So vieles habt ihr vergeblich erduldet, wenn jedoch vergeblich!“3 — S. 32 „Ihr laßt euch abwenden.“ Er sagt nicht: ihr ließet euch abwenden, sondern: „ihr laßt euch abwenden“, d. h. ich glaube es nicht und kann es nicht glauben, daß der Betrug ganz geglückt sei. Auch diese Äußerung wieder verrät sein Bestreben, eine Umkehr zu bewirken. Deutlicher drückt er dies in der Folge aus: „Ich habe das Vertrauen zu euch, daß ihr keine andere Gesinnung haben werdet.“4 — „Von dem, welcher euch berufen hat in der Gnade Christi.“ Die Berufung liegt beim Vater, die Ursache der Berufung beim Sohne; er ist’s, der uns Versöhnung und Gnade gebracht hat; denn nicht durch die Werke der Gerechtigkeit sind wir gerettet worden. Besser gesagt: diese liegt auch bei jenem und jene auch bei diesem; denn es heißt: „Das Meinige ist dein, und das Deinige ist mein.“5 — Er sagt nicht: Vom Evangelium laßt ihr euch abwenden, sondern: „von Gott, welcher euch berufen hat“. Der Apostel hat mit Absicht solche Ausdrücke gewählt, die sehr wirksam klingen und recht zu erschüttern vermögen. Die Leute nämlich, welche auf ihre Täuschung ausgingen, taten dies nicht auf einmal, sondern stahlen ihnen nach und nach die Sache, ohne die Worte zu ändern. Darin liegt aber die Arglist des Teufels, daß er seine Fallstricke nicht offen auslegt. Wenn sie gesagt hätten: Fallet ab von Christus!, so würden (die Galater) sie als Betrüger und Verführer gemieden haben. Nun aber beließen sie dieselben einstweilen in ihrem Glauben, deckten ihren Trug mit dem Namen des Evangeliums und machten sich in aller Ruhe daran, das Gebäude zu untergraben, indes das angegebene Verfahren, wie eine Art Vorhang, durch eben diese leeren Namen die Wühler verbarg.


  1. Joh. 16, 15. ↩

  2. Die Konstruktion des Satzes ist nicht einheitlich. ↩

  3. Gal. 3, 4. ↩

  4. Gal. 5, 10. ↩

  5. Joh. 17, 10. ↩

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Kommentar zu den Briefen des hl. Paulus an die Galater (BKV)
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