Über die Geduld.
S. 10 Wenn wir hier auf die Erstlingsschrift Tertullians seine Abhandlung über die Geduld folgen lassen, so soll damit nicht gesagt sein, daß ihre Abfassung unmittelbar auf jene gefolgt wäre. Ein bestimmtes Jahr für ihre Abfassung ist überhaupt nicht zu ermitteln, sondern man kann nur im allgemeinen als sicher annehmen, daß sie wie auch die zwei Bücher an seine Frau der ersten Periode seiner schriftstellerischen Tätigkeit angehört. Sie wird mit der über das Pallium hier nur aus dem Grunde zusammengestellt, weil der Verfasser sie gewissermaßen für sich selber, zu seinem eigenen Nutz und Frommen, geschrieben hat, nicht für andere. Er bekennt, daß es ihm an Geduld fehle und sucht einen Trost darin, über das zu disputieren, was ihm nicht gegeben ist, Kap. 1.
Das deutsche Wort Geduld entspricht nicht ganz der Bedeutung von patientia, wie Tertullian das Wort hier nimmt. Es ist nicht bloß die Geduld gemeint, die man Beleidigungen entgegensetzt oder bei Schmerzen beobachtet, sondern es begreift in sich auch die Ausdauer, das Ausharren im Guten trotz aller Hindernisse und Versuchungen. Daher macht Tertullian, wohl etwas über das Ziel hinausschießend, die Ungeduld zur Quelle aller Sünden. So ist dieser Traktat nicht für bestimmte Leser verfaßt, sondern für Christen im allgemeinen, in erster Linie aber für den Verfasser selber, der in den Schlußkapiteln die ganze Kraft seiner Beredsamkeit zeigt.
