4.
S. 257 „Auch dies wird von ihm erzählt, daß fünf Bischöfe zu ihm kamen, um seine Lehre zu erkunden, indem sie meinten, er fasse seine Reden nicht im Heiligen Geiste ab, sondern wie sie selbst in weltlicher Weisheit. Deshalb verlangten sie, er solle in Gegenwart ihrer Heiligkeit das Wort ergreifen, damit sie so erproben könnten, ob seine Lehre rechtgläubig sei. Sie hatten aber zuvor diese Verabredung unter sich getroffen, daß sie, wenn er etwas dem orthodoxen, von den Vätern verkündeten Glauben Zuwiderlaufendes sagen würde, ihm nicht mehr gestatten wollten, in der Kirche des Sohnes Homilien und Hymnen zu verfassen, sondern ihn vielmehr verwerfen und verurteilen wollten, damit seine Lehre auf keine Weise angenommen werde. Alsbald zeigte ihm der Heilige Geist, welcher ihn zum Lehramte auserwählt hatte, die ganze Schönheit des Glaubens. Obgleich nun jener Demütige in seiner Bescheidenheit vor jener dort versammelten Menge nicht reden wollte, so zwangen ihn doch diese Bischöfe und das ganze in der Kirche zu Batnä in Sarug versammelte Volk, sich zu erheben und eine von jenen vorgeschlagene Homilie zu halten, damit sie ihn nicht verurteilten, wie sie über ihn beschlossen hatten. Als er nun reden sollte, fragte er sie: „Über welchen Gegenstand verlangt ihr, daß ich sprechen soll?“ Da blickten sie alle nach der heiligen Türe vor dem Altare und sahen, daß auf derselben der Wagen gemalt war, den der wunderbare und staunenswerte Prophet Ezechiel geschaut hatte1. Sie verlangten also von ihm, daß er, so gut er es vermöge, über diesen Wagen sprechen solle. Da bestieg der Schuldlose den Ambo, welcher sich in der Kirche befand, ließ sich von der Heiligkeit der gesegneten Bischofsschar den Segen erteilen und öffnete seinen Mund in der Kraft des Geistes. Er rief und sprach mit laut erhobener, belehrender Stimme vor dem Volke, welches sehr danach dürstete seine Worte zu hören: „O Höchster, der Du auf dem unerforschlichen Wagen thronst, möge die staunenerregende Erzählung von Deiner Majestät in mir geredet werden!“
S. 258 „Als er so in der wundervollen, staunenswerten Rede fortfuhr und die Bischöfe wie das ganze Volk ihre Augen mit Bewunderung auf ihn gerichtet hatten, da gab ihm der Geist einen Wink über die Eroberung der Stadt Amida, daß die Perser eingedrungen seien, die Stadt eingenommen und ihre Einwohner gefangen abgeführt hätten. Deshalb fing er plötzlich an, wegen der Einnahme von Amida diese kläglichen Töne des Schmerzes und der Trauer auszustoßen: „Furchtbare Nachrichten und bittere Unglücksbotschaften haben meinen Geist verwirrt; ebne Du ihn wieder, o Herr, durch Deine Gesänge!“ Da machten ihm die Bischöfe alsbald folgende Einwendung: „Weshalb mischest du diesen fremdartigen Gegenstand ein, der nicht zur Sache gehört und von dem nicht geredet werden sollte? Denn jetzt ist nicht die geeignete Zeit, um über Amida zu reden!“ Aber der Auserwählte fuhr dennoch in seinem Kummer fort, noch weiter also über die Unfälle zu reden, welche Amida von seiten der Perser betroffen hatten: „Alle Länder und ihre Bewohner mögen Amida beweinen ob der jammervollen Metzelei und des daselbst vergossenen Blutes!“ Darauf hörte er auf, über Amida zu reden, ging wieder auf sein Thema über, wie ihm die Bischöfe geboten hatten, und vollendete die Erzählung vom Wagen. Siehe, da kam plötzlich den Bischöfen die Nachricht von der Eroberung Amidas und nun schenkten sie allem, was er gesagt hatte, Glauben.
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Ez. 1. ↩
