• Home
  • Works
  • Introduction Guide Collaboration Sponsors / Collaborators Copyrights Contact Imprint
Bibliothek der Kirchenväter
Search
DE EN FR
Works Gregory I, pope (540-604) Einleitung zu Gregor dem Grossen

1. Rom und Italien in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts

Die Lebensjahre Gregors fallen in eine Zeit tiefen Niederganges, in eine Zeit unübersehbarer Gefahren für das weströmische Reich, für Italien und Rom, ungeheurer Gefahren auch für das Christentum, das mit dem bisherigen Bestand der Dinge unterzugehen drohte.

S. 12 Nach dem Tode Amalasunthas, der Tochter Theoderichs, begann für das schon schwer heimgesuchte Italien eine lange Reihe schwerster Kriegsjahre. Justinian, der eben das Vandalenreich gestürzt und Nordafrika für Byzanz wiedergewonnen hatte, begann in Italien den Krieg gegen das Reich der Ostgoten. Sein großer Feldherr Belisar eroberte rasch Sizilien und den größten Teil Italiens, 535—540. Justinian legte dem eroberten Lande schwere Steuern auf. Steuereinnehmer, Wucherer und die Besatzung, die von Byzanz unregelmäßig ihren Sold bezog, machten sich Geld auf jede Weise. Eigentum und Leben waren nirgends mehr sicher; die Soldaten waren ja nur zu einem verschwindenden Teil Römer und Griechen, sie stammten vielmehr aus den entferntesten Gegenden des byzantinischen Reiches; es waren Schwarze, Araber, Hunnen, Perser, Gepiden, und diese alle hausten in Italien mit ungezügelten Instinkten und Leidenschaften. Darum verödete das flache Land; die Leute flohen ins Gebirge; aber Hunger und Pest zogen hinter ihnen her, so daß im Picenum allein fünfzigtausend Menschen Hungers starben. 1

Den Goten verblieb noch Pavia. Ungebeugt begannen sie unter Totila den Befreiungskrieg und entrissen den Byzantinern wieder einen großen Teil des Landes. Aber das Kriegsglück schwankte; die Kriegsheere zogen hin und her, bis Narses, verstärkt durch Langobarden und Heruler, 553 den Untergang des Ostgotenreiches besiegelte, das verwüstete Italien zu einer römischen Provinz machte und als Statthalter in den Palast Theoderichs in Ravenna einzog. Aber dem Lande war nur eine kurze Ruhe gegönnt, die nicht hinreichte, um die Wunden des Krieges heilen zu lassen. Denn die arianischen Langobarden, die ihren Fuß schon einmal auf italischen Boden gesetzt hatten, vergaßen das sonnige Land nicht. Sie brachen am Osterdienstag 568 unter ihrem König Alboin von Pannonien auf, um über die julischen Alpen in Italien einzubrechen. Der Schrecken eilte dem Heere voraus. Dem Bischof Redemptus von Ferentino erschien der hl. Märtyrer Eutychius und sagte das Ende allen Fleisches voraus. Man redete von schauerlichen Zei- S. 13 chen, die am Himmel erschienen, und sah feurige Schlachtreihen von Norden her kommen. 2 „Bald wütete“, erzählt Gregor selbst, „das wilde Volk der Langobarden wie ein Schwert, aus der Scheide seiner Wohnstatt gezogen, gegen unsern Nacken, und das Volk, das in unserm Lande wie eine dichte Saat dastand, wurde dahingemäht und verdorrte. Denn die Städte wurden entvölkert, die festen Plätze zerstört, Kirchen niedergebrannt, Männer- und Frauenklöster dem Erdboden gleichgemacht; die Landgüter sind verlassen, und niemand nimmt sich ihrer an; das flache Land liegt brach und ist verödet, kein Besitzer wohnt mehr dort, und wilde Tiere hausen, wo viel Volk einst wohnte.“ 3 Während der Exarch Longinus, des Narses’ Nachfolger, unbegreiflicherweise tatenlos in Ravenna saß, rückten die Langobarden immer weiter vor, nicht ohne auch ritterliche Züge an den Tag zu legen. So empfing Alboin am Piave Felix, Bischof von Treviso, und stellte ihm einen Schutzbrief für seine Kirche aus. Nach und nach wurde ganz Norditalien in Besitz genommen und Pavia 572 nach dreijähriger Belagerung zur Hauptstadt des Langobardenreiches gemacht. Alboin wurde im gleichen Jahre von eigenen Leuten in Verona meuchlings ermordet. Das gleiche Los teilte 574 sein Nachfolger Kleph, unter dem die Langobardenherrschaft weiter nach Süden vorgetragen worden war. Venedig, der Küstenstrich von der Pomündung bis Ankona mit Ravenna, Kalabrien, Neapel und Rom mit ihrer Umgebung verblieben noch dem Kaiser von Byzanz. Auch die Inseln Sizilien, Sardinien und Korsika wurden vorerst noch von den Langobarden verschont, weil sie sich nicht auf die Schiffahrt verstanden. Ihnen sagte der Apennin mehr zu, weil sie sich dort leichter halten konnten, während die schwachen griechischen Besatzungen die festen Plätze in der Ebene besser zu verteidigen wußten.

Da nach Klephs Tode kein König gewählt wurde, sondern ein Interregnum eintrat, schalteten die Herzöge, ungefähr fünfunddreißig an der Zahl, in den eroberten Gebieten nach freiem Belieben. Paulus Diaco- S. 14 nus hat uns die Namen von sieben dieser Herzöge und ihrer Residenzen überliefert: Zaban von Pavia, Wallari von Bergamo, Alichis von Brescia, Euin von Trient, Gisulf von Friaul, Faroald von Spoleto und Zotto von Benevent. 4 Die Herrschaftgebiete der übrigen werden sich wohl ungefähr mit einzelnen Bischofsstädten und deren Gebiet gedeckt haben. 5 Jeder von ihnen suchte sein Gebiet zu vergrößern und unternahm weite Eroberungszüge. So erschien Faroald von Spoleto 579 vor den Mauern Ravennas, plünderte die reiche Hafenstadt Classis und ließ dort eine Besatzung zurück. In demselben Jahre belagerten andere Rom; die griechische Besatzung hätte die Stadt nicht zu retten vermocht, wenn nicht der neugewählte Papst Pelagius II. die Feinde zum Abzug bewogen hätte. 6 Zotto von Benevent sodann war es, der 589 das ehrwürdige Kloster Monte Cassino heimsuchte und zerstörte.

Während kleinere Feindesscharen plündernd das Land durchzogen, vollendeten andauernde Regenfälle das Unheil, indem sie eine furchtbare Überschwemmung und ein großes Sterben verursachten, 589.

Was Rom selbst mit dem Lande litt, ist einem langsamen Dahinsiechen vergleichbar. Die große Beherrscherin der Welt, die Stadt schlechthin, hatte im Laufe der letzten Jahrhunderte ein Vorrecht nach dem andern abtreten müssen: zuerst wurden Trier, Mailand und Nikomedien als Residenzen ihr gleichgesetzt; als Byzanz gegründet ward, wurde es ihr als Neu-Rom vorangesetzt. Der Charakter der politischen Weltstadt war dahingesunken, und Rom wäre wohl wie Theben, Babylon und Karthago von der Erde verschwunden, wenn es nicht von einem lebensfähigen Prinzip beseelt gewesen wäre, das ihm von neuem zu der Ehre verhalf, zu herrschen. 7Weder Alarich noch Genserich, weder Ricimer noch Totila scheinen Gebäude zerstört zu haben; sie begnügten sich mit der Wegnahme von Gold und Silber und kost- S. 15 barem Hausrat, das alles in unglaublicher Menge vorhanden war. Die Stadt barg am Anfang des 5. Jahrhunderts 1790 Paläste und 46 602 Wohnhäuser. 8 So standen also noch die Tempel, die Paläste, die Theater und Fora, dehnte sich noch das Häusermeer aus, als Gregor in die Geschichte eintrat. Wie aber stand es mit der Zahl der Bewohner? Grisar schätzt sie für den Beginn des 5. Jahrhunderts auf ca. 800 000. 9 Schon das ist eine Verminderung gegenüber der glänzenden Kaiserzeit; die Zahl sank aber durch die Kriege noch viel, viel tiefer. Prokopius berichtet zu unserm Erstaunen, daß Rom nach der Einnahme durch Totila 549 noch 500 Einwohner zählte. Wenn dies auch ein bloßer Schreibfehler ist, so muß man doch annehmen, die Einwohnerzahl sei durch die Kriegsläufte, durch Tod und Flucht so gesunken, daß in einer Straße fast alle Häuser bis auf einige wenige leer standen. Öde und Verlassenheit klagte aus den Loggien und Atrien heraus. Das ist der Schauplatz, die nächste und die weitere Umgebung, in der Gregor heranwuchs, der große, heilige und starke Mann.


  1. Prokopius, Gotenkrieg II 20. ↩

  2. Gregor, Dialoge III 38. ↩

  3. Ebd. ↩

  4. Paulus Diaconus, Histor. Langob. II 32. III. 13. 33. ↩

  5. Dudden, Gregory the Great I 158. ↩

  6. Grisar, Geschichte Roms und der Päpste im M., S. 675. ↩

  7. Gibbon, zit. Bei Colombel, Die Verbindung Deutschlands mit Italien. Frankfurt 1867, S. 8. ↩

  8. Grisar, Geschichte Roms und der Päpste im M., S. 144. ↩

  9. Ebd. ↩

pattern
  Print   Report an error
  • Show the text
  • Bibliographic Reference
  • Scans for this version
Download
  • docxDOCX (60.04 kB)
  • epubEPUB (45.94 kB)
  • pdfPDF (159.43 kB)
  • rtfRTF (114.82 kB)
Commentaries for this Work
Einleitung zu Gregor dem Grossen

Contents

Faculty of Theology, Patristics and History of the Early Church
Miséricorde, Av. Europe 20, CH 1700 Fribourg

© 2023 Gregor Emmenegger
Imprint
Privacy policy