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Works John Chrysostom (344-407) In epistulam i ad Timotheum argumentum et homiliae 1-18 Homilien über den I. Brief an Timotheus (BKV)
Zweite Homilie.

II.

Unter dem „Gerechten“ versteht übrigens der Apostel hier Den, der die Tugend übt. Also Derjenige macht einen rechten Gebrauch vom Gesetze, welcher nicht verlangt von demselben geleitet zu werden. Denn gleichwie man den Knaben Vorschriften zum Schreiben vorlegt, und wie der Knabe, der nicht nach der Vorlage, sondern aus dem Kopfe schreibt, mehr versteht und seine Buchstaben besser kann: so läßt sich auch Derjenige, welcher über dem Gesetze steht, nicht von demselben leiten. Wer es nicht aus Furcht erfüllt, sondern aus Drang zur Tugend, der befolgt S. 31 das Gesetz in höherem und höchstem Maaße. Diejenigen, welche Strafe fürchten, und Die, welche das Ehrgefühl spornt, erfüllen das Gesetz nicht auf gleiche Weise. Es besteht keine Ähnlichkeit zwischen Dem, welcher über, und Dem, welcher unter dem Gesetze steht. In seinem Lebenswandel über dem Gesetze stehen, das heißt einen „gesetzmäßigen Gebrauch davon machen“. Derjenige macht einen guten Gebrauch vom Gesetz und beobachtet es wirklich, welcher mehr thut, als das Gesetz verlangt, welcher es nicht zum Erzieher haben will. Das Gesetz besteht ja zum größten Theile nur aus Verboten. Das Meiden der Sünde macht aber nicht den Gerechten, sondern die Übung des Guten. Also wer sklavenartig bloß von Sünden sich enthalt, der erfüllt nicht den Geist des Gesetzes. Darum ist es gegeben, damit es die Übertretung bestrafe. Auch die Andern machen einen Gebrauch davon, aber zitternd vor der Strafe. „Willst du die Gewalt nicht fürchten,“ sagt der Apostel, „dann thue das Gute!“1 Als wollte er sagen: Nur für die Bösen ist das Gesetz ein Verkünder von Strafen; welchen Nutzen aber hat es für Den, welcher durch seine Werke die ewige Seligkeit verdient? Der Arzt gehört für den Verwundeten, nicht für den Gesunden und sich wohl Befindenden.

„Für die Gesetzlosen (heißt es weiter) und Unbotmäßigen, für die Gottlosen und Sünder.“ Unter den „Gesetzlosen“ sind die Juden zu verstehen, ebenso unter den „Unbotmäßigen“. „Das Gesetz,“ sagt der Apostel, „bewirkt Zorn.“ Das bezieht sich auf die Übelthäter. Wie gälte Das in Bezug auf den Ehrenhaften? „Durch das Gesetz kommt Erkenntniß der Sünde.“2 Was geht Das den Gerechten an? „Für den Gerechten S. 32 ist das Gesetz nicht vorhanden.“3 Weßhalb? Weil er ausserhalb des Bereiches der Strafe steht, und weil er nicht darauf zu warten braucht, daß er seine Pflichten durch das Gesetz kennen lerne, indem er in seinem Innern die Gnade des heiligen Geistes hat, die ihm dieselben diktirt. Das Gesetz wurde gegeben, damit die Menschen durch Furcht und Drohung in Schranken gehalten werden. Bei einem gehorsamen Pferde bedarf es keines Zügels und keine Erziehung bei Einem, der keinen Erzieher braucht.

„Für die Gesetzlosen und Unbotmäßigen, die Gottlosen und Sünder, Unheiligen und Entweihten, Vatermörder und Muttermörder.“ Der Apostel bleibt dabei nicht stehen, bei den „Sündern“ allein, sondern er spezifizirt sie, um die Vertreter des Gesetzes zu beschämen. Und nach der Spezifizirung spricht er auch davon, daß man sie meiden soll, obschon das Gesagte schon geeignet wäre, um von ihnen abzuschrecken. Wen meint er nun damit? Die Juden. Diese sind „Vater- und Muttermörder,“ und sie sind „Unheilige und Entweihte“. Sie bezeichnet er mit den „Gottlosen und Sündern“. Da sie aber solche Leute waren, war es nothwendig, das Gesetz zu geben. Sage mir, beteten sie nicht fortwährend die Götter an? Haben sie nicht den Moses gesteinigt? Haben sie nicht ihre Hände mit Verwandtenmord befleckt? Werfen ihnen nicht die Propheten allenthalben diese Dinge vor? Für die Erforscher der himmlischen Dinge waren jene Vorwürfe überflüssig. „Für die Vater- und Muttermörder,“

S. 33 10. die Menschenmörder, Hurer, Knabenschänder, Menschenräuber, Lügner, Meineidigen, und was sonst noch der gesunden Lehre widerstreitet;

Treffend heißt es: der „gesunden“ Lehre. Denn jene Dinge sind lauter Leidenschaften einer kranken Seele.

11. gemäß dem Evangelium des Ruhmes des seligen Gottes, das mir anvertraut worden ist.

Also zur Bekräftigung des Evangeliums ist das Gesetz auch jetzt noch nothwendig, die Gläubigen jedoch brauchen es nicht. „Evangelium des Ruhmes“ nennt es der Apostel wegen nichts Anderem als wegen Derjenigen, die sich der Verfolgungen und des Leidens Christi schämen. Also um der andern Ursachen willen sowie gerade dieser Menschen wegen spricht er von einem „Evangelium des Ruhmes“, um zu zeigen, daß das Leiden Christi ein Ruhm ist. Oder auch er deutet auf die Zukunft im Jenseits. Wenn die Gegenwart voll Schmach und Schimpf ist, in der Zukunft gibt es Das nicht. Ein Evangelium bezieht sich überhaupt auf die Zukunft, nicht auf die Gegenwart. Warum sagt dann aber der Engel: „Siehe, ich verkündige euch, daß euch der Heiland geboren wurde?“4 Der Neugeborene sollte ein Heiland erst werden. Er wirkte nicht schon bei seiner Geburt Wunder.

„Gemäß dem Evangelium des Ruhmes des seligen Gottes.“ Unter (Gottes) Ruhm (δόξα) versteht der Apostel entweder die Anbetung Gottes, oder er will sagen, daß die Gegenwart voll ist von seinem Ruhm, noch viel mehr aber die Zukunft. Er spricht von der Zeit, S. 34 wo Gottes Feinde unter seinen Füßen liegen, wo er keinem Widerspruch mehr begegnet, wo die Gerechten all die Herrlichkeiten schauen, die kein Auge geschaut, kein Ohr gehört, und die in keines Menschen Herz gekommen. „Ich will,“ spricht der Herr, „daß, wo ich bin, auch Diese seien, damit sie schauen meinen Ruhm, den du mir gegeben.“5 Lernen wir, wer denn wohl Diese sind, und preisen wir sie glücklich Angesichts der Seligkeit, welche sie genießen, des Ruhmes und des Lichtes, deren sie theilhaftig sind! Der irdische Ruhm ist eine Bagatelle und ist unbeständig, und selbst wenn er aushält, so hält er nur bis zum Tode aus, und dann erlöscht er für immer. Denn es heißt: „Sein Ruhm wird nicht in die Gruft steigen hinter ihm.“6 Bei Vielen aber hält er nicht einmal hienieden bis zum Ende aus. Von jenem andern Ruhme aber läßt sich so Etwas nicht annehmen, sondern ganz das Gegentheil, daß er nämlich bleibt und niemals ein Ende nehmen wird. So ist Das, was von Gott kommt: bleibend und erhaben über Wechsel und Ende. Der jenseitige Glanz stammt nicht von aussen, sondern von innen; nicht von kostbaren Gewändern z. B. oder von einem Troß von Bedienten, nicht von prächtigen Equipagen stammt der jenseitige Glanz, sondern sein Schimmer umfließt ohne solchen Tand die Gestalt des Menschen selber. Jetzt ist Einer, dem solche Dinge mangeln, des Ruhmes entkleidet; im Jenseits ist es nicht so. In den Bädern sehen wir Entkleidete, berühmte und unberühmte Männer; wir sehen auch schlechte. Mancher Marktbesucher geräth in Verlegenheit, wenn ihn seine Diener irgend eines Bedürfnisses wegen (auf einen Augenblick) verlassen. Im Jenseits aber trägt Jeder seinen Glanz allenthalben mit sich.7 Und gleichwie die Engel, wo sie auch erscheinen S. 35 mögen, von ihrem Glanze umflossen sind, so auch die Heiligen. Oder vielmehr gleichwie die Sonne keines Mantels bedarf, und sonst Nichts bedarf, sondern sobald sie aufgegangen, auch sofort den ihr innewohnenden Glanz ausstrahlt, so wird es auch dereinst sein.


  1. Röm. 13, 3. ↩

  2. Ebend. 3, 20. ↩

  3. Δικαίῳ νόμος οὐ κεῖται. Bisping (III. 138) übersetzt κεῖται mit „lastet“, „drückt“ (als „objektives Gewissen“). Diese Bedeutung von κείσθαι läßt sich kaum nachweisen, wohl aber die oben angewendete „vorliegen“, „vorhanden sein“. ↩

  4. Luk. 2, 10. ↩

  5. Joh. 17, 24. ↩

  6. Ps. 48, 18. ↩

  7. Der Redner will sagen, daß irdische Güter, z. B. schöne Gewänder oder zahlreiche Dienerschaft von ihrem Besitzer sich zeitweilig trennen, z. B. im Bad oder auf dem Markte, und daß er dann vor andern Leuten Nichts voraushat. ↩

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Commentaire sur la première épitre à Timothée Compare
Homilien über den I. Brief an Timotheus (BKV)

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