Arianismus
[S. 13](https://bkv.unifr.ch/works/153/versions/459/scans/a0013.jpg) Die Lehre des Arius wurde sofort in ihrer Gefährlichkeit erkannt und auf einer Kirchenversammlung zu Alexandrien (320?) verworfen. Doch jetzt zeigte sich, daß eine neue Zeit geworden war: die Lehrkämpfe blieben nicht mehr rein kirchliche Angelegenheit, sondern wurden solche des öffentlichen, des staatlichen Lebens. Wie Arius weite Volkskreise zu gewinnen wußte, so auch anfänglich den Kaiser Constantin, bis Bischof Hosius aus Corduba (257—358?) ihm die Bedeutung der Lehre des Arius klarlegte und ihn umstimmte. Daraufhin berief Constantin die Synode von Nicäa in Bithynien (325), die die Gottheit des Sohnes, insbesondere seine Gleichwesentlichkeit mit dem Vater, festlegte.
Damit war der Weg beschritten, der gerade den arianischen Kämpfen das Gepräge gab: Festlegung des Glaubens durch Kirchenversammlungen und Verpflichtung der Rechtgläubigen auf Glaubensbekenntnisse. Mit Meisterschaft wußten die Verfechter des Arianismus diese neuen Mittel zu handhaben, mit erstaunlicher Geschicklichkeit alle Menschlichkeiten in ihre Pläne einzustellen, um — ihre eigenen Menschlichkeiten zu fördern: Geltung bei Hof, Gewinn von Macht und Erwerb von Reichtum. Anderseits waren die kirchlichen Spaltungen den Kaisern ein erwünschtes Mittel, in der Zuweisung ihrer Gunst sich sehr umwerben zu lassen und diejenigen zu bevorzugen, die ihnen am ehesten die Einheit und den Bestand des Reiches zu gewährleisten schienen.
Zugleich war ein Weiteres von grundsätzlicher Bedeutung gegeben: die Bedeutung theologischer Arbeit für die Reinerhaltung des Glaubens. Was im Morgenland die Schulen zu Antiochien und Alexandrien, was im Abendland einzelne Denker — Tertullian (um 160 bis nach 220), Hippolyt († 235), Novatian (251 Gegenpapst gegen Cornelius) ― geleistet hatten, war nicht nur Gelehrtenarbeit, sondern gewann jetzt seine Bedeutung für das Leben der Gesamtkirche. Zum erstenmal machte die Kirche in Nicäa ihr Recht geltend, maßgeblich und endgültig die Lehre festzulegen; und [S. 14](https://bkv.unifr.ch/works/153/versions/459/scans/a0014.jpg) dazu gehörte auch dies, solche Begriffe zu wählen, die in ihrer Eindeutigkeit der Irrlehre keine Ausflucht ließen; auch solche Begriffe, die nicht in der Schrift standen. In Nicäa wählte man „Wesen‟* (οὐσία)* [ousia] und insbesondere „gleichwesentlich‟* ὁμοούσιος* [homoousios] als die angemessenen Begriffsworte für die Festlegung der Glaubenslehre.
Doch Constantin stellte sich um: 328 durften die verbannten arianischen Bischöfe heimkehren; der rechtgläubige Bischof Eustathius von Antiochien wurde 330 abgesetzt und verbannt († 337 in der Verbannung in Thracien) und Athanasius, der gewaltige Vorkämpfer der Rechtgläubigkeit (295—373), 335 nach Trier verbannt; 336 sollte Arius in die Kirche aufgenommen werden, starb aber tags zuvor. Constantin starb 337, Athanasius kehrte 338 zurück. Er wurde aber auf der Kirchweihsynode in Antiochien 341 wieder abgesetzt, durfte jedoch nach der Synode von Sardica 343 wieder zurückkehren, was allerdings erst 346 tatsächlich wurde. In Sardica verwarf man die Behauptung, der Vater und der Sohn und der Hl. Geist seien verschiedenen Wesens; setzte man sich dafür ein, daß Vater und Sohn* eines* Wesens seien, wobei man freilich für „Wesen‟ gerade dasjenige Wort benutzte* (ὑπόστασις)* [hypostasis], das man später der Bezeichnung „Person‟ vorbehielt.
Die Abendländer hatten 345 und 347 in Mailand eine Kirchenversammlung gehalten und Photin von Sirmium († 375/6) abgesetzt, der die Personhaftigkeit des Logos leugnete und in die Denkweise des Paulus von Samosata zurückfiel. Athanasius kehrte zurück, Ursacius von Singidunum (Belgrad) und Valens von Mursa (an der Save; Mitrowitza), die einflußreichen Vorkämpfer des Arianismus, machten Frieden mit Rom und Athanasius. Ebenso haben die Morgenländer auf der ersten sirmischen Kirchenversammlung den Photin abgesetzt.
Da wurde Constantius, der Kaiser des Westens und Schützer des Nicänums, ermordet (350). Die zweite sirmische Kirchenversammlung (351) verwarf zwar die arianischen Formeln („er war einmal *nicht*‟), stellte aber den Sohn unter den Vater. Die Abendländer wurden gezwungen, auf den Kirchenversammlungen zu [S. 15](https://bkv.unifr.ch/works/153/versions/459/scans/a0015.jpg) Arelate (Arles, 353), Mailand (355), Biterrä (356) die Absetzung des Athanasius auszusprechen. Die Widerstrebenden wurden verbannt: Eusebius von Vercellä (283 bis 371), Dionysius von Mailand (seit etwa 351 Erzbischof von Mailand), Lucifer von Calaris († 370/371), Hosius von Corduba (257―358), Liberius von Rom (Papst 352 bis 366) und Hilarius von Poitiers († 367).
Immer mehr waren auf diesen Kirchenversammlungen die eigentlichen arianischen Stichwörter aufgegeben worden; immer mehr hatte sich die Erörterung daraufhin zugespitzt, was man bei der Bestimmung des Verhältnisses von Vater und Sohn mehr hervorheben wolle: entweder die Gleichheit des Wesens unter Wahrung der Personenverschiedenheit („gleichwesentlich‟, *ὁμοούσιος* [homoousios]) oder aber die Verschiedenheit der Personen unter Wahrung der Gleichheit des Wesens („ähnlichwesentlich‟, ὁμοιούσιος [homoiousios]). Darum gingen die Kämpfe, für die sprachliche Fassung dieser Beziehungen die Formeln zu finden, z. B. die vielumkämpfte: „ähnlich dem Vater in allem‟, die schon bei Cyrill von Jerusalem vorkommt (Cat. 4, 7). Dabei darf auch nicht übersehen werden, daß *ὅμοιος* [homoios] mehr besagt als unser „ähnlich‟, viel näher bei „gleich‟ liegt, wie man aus Joh. 5, 19 ersehen mag. Von daher begreift man die Verwunderung des Hilarius, der es sah und sagte und verfocht, daß „gleichwesentlich‟ und „ähnlichwesentlich‟ im Grunde dasselbe meinten.
Diese Entwicklung war den strengen Arianern zuwider; sie beharrten auf dem „wesensungleich‟ und nannten sich Anhomöer. Ihr Führer war Acacius von Cäsarea († 366). Ursacius und Valens waren die Führer der gemäßigten Arianer, der Homöusier, alle drei einflußreiche Hofbischöfe. In langem Hin- und Widerkämpfen einigte man sich auf des Kaisers Seite auf die Formel (4. sirmische Kirchenversammlung 359): „ähnlich nennen wir den Sohn dem Vater in allem, wie die hl. Schriften es sagen‟. Die Abendländer lehnten sie zu Ariminum (359) ab; ihre Abordnung wurde aber gezwungen, eine ähnliche Formel in Nice zu unterzeichnen. Die Annahme in Seleucia (359) war von vornherein gesichert.
Der Arianismus hatte gesiegt: äußerlich. Und dennoch: er unterlag dem rechten Glauben. Denn nun waren [S. 16](https://bkv.unifr.ch/works/153/versions/459/scans/a0016.jpg) mittlerweile die Begriffe geklärt, wie eine Denkschrift lehrt, die von Georgius von Laodicäa († zwischen 360 und 363) und Basilius von Ancyra († nach 360) etwa 359 verfaßt war. Für das* Wesen* galt, daß es bei Vater und Sohn das gleiche war: die* οὐσία* [ousia]. Für das *Person*sein, daß es verschieden war: * ὑπόστασις* [hypostasis].
Constantius starb 361. Athanasius durfte unter Julianus zurückkehren. Dieser alte Kämpfer überschaute sofort die Gunst der Lage. Er berief 362 eine Kirchenversammlung nach Alexandrien, wo die Begriffe „Wesen‟ *(οὐσία)* [ousia] und „Person‟ *(ὑπόστασις)* [hypostasis] festgelegt wurden, so daß die Einhelligkeit zwischen Morgen- und Abendland im Grunde hergestellt war; denn beide hatten eigentlich das gleiche gemeint. Klar und scharf war damit auch die Scheidung gegen die Anhomöer gegeben, die nun offen als Irrlehrer gekennzeichnet waren.