3.
Schwer ist es, in einer verrufenen Stadt, in einer Stadt, deren Bevölkerung sich nun einmal aus dem ganzen Erdkreis ergänzt, in der es als Siegespreis des Lasters gilt, ehrenhafte Leute in den Staub zu ziehen, das Reine und Tugendhafte zu beschmutzen, nicht in irgendein schiefes Gerede hineinzugeraten. Und was so schwer, ja fast unmöglich ist, das scheint der Prophet mehr in einen Wunsch zu kleiden als zu fordern, wenn er spricht: „Glückselig, die makellos sind in ihrem Wandel, die da leben nach dem Gesetze des Herrn“1 . Makellos in ihrem irdischen Wandel nennt er diejenigen, welche nie ein Hauch übler Nachrede berührt hat, und die andererseits Verleumdungen ihrer Nebenmenschen kein Gehör geschenkt haben. Von S. 183ihnen sagt der Erlöser im Evangelium: „Sei wohlwollend, d.h. versöhnlich mit deinem Gegner, solange du mit ihm auf dem Wege bist“2 . Wer hätte jemals von dieser Frau etwas Mißfälliges, wenn es ihm zu Ohren gekommen wäre, für wahr gehalten? Wenn einer es geglaubt hätte, hätte er dadurch nicht vielmehr sich selbst der Bosheit und Schmähsucht geziehen? Sie hat zuerst das Heidentum beschämt, als es allen offenkundig wurde, was es um die christliche Witwenschaft war, die sie in ihrem inneren und äußeren Wandel verkörperte. Andere pflegen ihr Antlitz mit Purpur und Bleiweiß zu bemalen, in seidenen Kleidern zu glänzen, von Edelsteinen zu funkeln, goldenes Geschmeide um den Hals und in den durchstochenen Ohren zu tragen, die kostbarsten Perlen des Roten Meeres sich umzuhängen, nach Moschus zu duften. Ihre Gatten betrauern sie scheinbar, während sie sich freuen, endlich ihrer Herrschaft ledig zu sein, und nach anderen angeln, denen sie nicht nach Gottes Willen dienen, sondern befehlen wollen. Deshalb fällt ihre Wahl sogar auf Arme, die nur dem Namen nach ihre Männer zu sein scheinen und sich ruhig Nebenbuhler gefallen lassen sollen. Wenn sie sich rühren, werden sie sofort vor die Türe gesetzt. Unsere Witwe trug Kleider, welche die Kälte abhalten, aber nicht ihre Glieder entblößen sollten. Abgesehen vom Siegelring, trug sie kein Gold, sie barg es lieber in den Leibern der Armen als in der Börse. Niemals war sie ohne ihre Mutter. Keinen Kleriker oder Mönch besuchte sie, wenn es das Bedürfnis des angesehenen Hauses zuweilen erforderte, ohne Zeugen. In ihrer Begleitung hatte sie stets Jungfrauen und Witwen, die ebenfalls ernste Frauen waren. Denn sie wußte wohl, daß man von der Ausgelassenheit der Mädchen auf den Charakter der Herrin schließt; sagt man doch: „Gleich und gleich gesellt sich gern“.
