5.
Zu jener Zeit kannte noch keine der vornehmen Frauen Roms die Lebensweise der Mönche. Auch wagte es niemand, sich zu derselben zu bekennen wegen der Neuheit dieser Einrichtung und wegen des geringen, verächtlichen Ansehens, das sie damals bei den Leuten genoß. Marcella lernte nun von alexandrinischen Priestern, dem Bischof Athanasius und seinem Nachfolger Petrus1 , welche auf der Flucht vor der Verfolgung durch arianische Irrlehrer zu Rom, dem sichersten Hafen ihrer Kirchengemeinschaft, Schutz gesucht hatten, die Lebensweise des hl. Antonius, welcher damals noch lebte, kennen, und hörte von den Einrichtungen der Klöster in der Thebais, wie sie Pachomius2 angeordnet hatte, sowie von den Ordensregeln der Jungfrauen und Witwen. Und sie schämte sich auch nicht, öffentlich auszuüben, was ihr als Gott wohlgefällig erschienen war. Ihr folgten nach vielen Jahren Sophronia und andere, auf welche man aber ganz passend jenes Wort des Ennius anwenden könnte: „O daß doch nicht im Walde Peliums“3 . Mit ihr war die ehrwürdige Paula befreundet. In ihrem Hause war Eustochium, die Zierde der Jungfrauen, aufgezogen worden, woraus man leicht beurteilen kann, was für eine S. 186Lehrerin solche Schülerinnen gehabt haben müssen. — Ein ungläubiger Leser möchte es vielleicht lächerlich finden, daß ich mich beim Lobe von Frauen aufhalte. Er möge sich erinnern an die heiligen Frauen, die den Herrn und Erlöser begleiteten, die ihn mit ihrem Vermögen unterstützten, er möge denken an die drei des Namens Maria, die vor dem Kreuze standen, besonders an Maria Magdalena, welche wegen ihrer Emsigkeit und ihres Glaubenseifers den Namen: „auf hoher Warte stehend“4 erhalten hat und als erste, noch vor den Aposteln, Christus nach seiner Auferstehung schauen durfte5 . Dann wird er wohl eher sich des Stolzes als mich eines törichten Unterfangens beschuldigen müssen, da ich die Tugend nicht nach dem Geschlechte, sondern nach der Gesinnung beurteile und den Verzicht auf die Vorrechte adeliger Abstammung sowie des Reichtums höheren Lobes wert erachte. Deshalb liebte auch Jesus den Apostel Johannes am meisten, der wegen seiner vornehmen Herkunft dem Hohenpriester bekannt war und die Anschläge der Juden nicht fürchtete. War er es doch gewesen, der den Petrus in den Vorhof einführte, allein von den Aposteln am Fuße des Kreuzes stand, die Mutter des Herrn zu sich nahm6 und, selbst jungfräulich, die jungfräuliche Mutter des jungfräulichen Herrn als Erbe erhielt.
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Gemeint ist Petrus II., der im Jahre 381 starb. Acht Jahre vorher mußte er nach Rom fliehen wie Athanasius, der in den Jahren 341—343 sich in dieser Stadt aufgehalten hatte. ↩
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Pachomius gründete um das Jahr 325 auf der Nilinsel Tabennä zuerst ein Kloster, dessen Mitglieder nach einer bestimmten Regel und nicht mehr in Eremitagen, sondern in demselben Hause lebten. ↩
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Eine sprichwörtliche Redensart zur Beklagung eines Mißbrauchs, den man mit einer an sich guten Sache getrieben hat. In dem Prolog der „Medea exul“ des Ennius klagt die Amme über die Erfindung der Schiffe mit folgenden Worten: Utinam ne in nemore Pelio securibus Caesa accedisset abiegna ad terrarn trabes! O wäre doch nie im Walde Peliums Von der Axt gefällt die Tanne hingesunken! ↩
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Von Hieronymus turrita genannt, da er ihren Namen von מִגְדָּל, Turm Warte ableitete. ↩
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Joh. 20, 14 ff. ↩
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Joh. 18, 15f.; 26f. ↩
