3.
Denken wir uns also, diese Burg habe, wie schon erwähnt, viele Wohnungen, die einen oben, die anderen unten, wieder andere an den Seiten; im Innersten der Burg aber, in der Mitte von all diesen Wohnungen, sei die vornehmste, in der zwischen Gott und der Seele sehr geheime Dinge vorgehen. Dieses Gleichnis müßt ihr im Gedächtnis bewahren! Vielleicht gefällt es dem Herrn, daß ich durch dasselbe in euch einigermaßen das Verständnis für die Gnaden, die Gott nach seinem Wohlgefallen den Seelen verleiht, sowie für deren Vielgestaltigkeit wecken kann, soweit ich dies als möglich erkenne; denn alle diese vielfachen Gnaden kann niemand, am allerwenigsten ein so armseliges Geschöpf wie ich, erkennen. Beschenkt euch dann der Herr mit solchen Gnaden, so wird es für euch ein großer Trost sein, zu wissen, daß dies möglich ist; gewährt er sie aber nicht, so wird das Wissen um diese Gnaden zum Anlaß werden, seine große Güte zu preisen. Wie uns die Betrachtung der himmlischen Dinge und des Genusses der Seligen keinen Nachteil bringt, sondern vielmehr Freude in uns weckt und uns mit dem Bestreben beseelt, auch zu diesem Genusse zu gelangen, ebensowenig wird uns die Erkenntnis zum Nachteil sein, daß ein so großer Gott selbst in dieser Verbannung so übelriechenden Würmern sich mitteilt und sie mit einer so unendlichen Güte und unermeßlichen Barmherzigkeit liebt. Nach meiner Überzeugung fehlt es dem sehr an Demut und Nächstenliebe, dem die Erkenntnis der Möglichkeit schaden würde, daß Gott schon in dieser Verbannung eine so große Gnade verleiht. Wie wäre es sonst möglich, daß wir uns nicht freuten, wenn Gott einem unserer Brüder dergleichen Gnaden spendet, da ihn dies ja nicht hindert, sie auch uns zu verleihen? Wie wäre es möglich, daß wir uns nicht freuten, wenn die göttliche Majestät ihre Wunderwerke, an wem es auch immer sei, offenbart? Der Herr mag seine Gnaden zuweilen wohl nur zu dem Zwecke spenden, damit seine Werke offenbar werden. Darauf wies er selbst hin, als ihn die Apostel betreffs des Blindgebornen, dem er das Augenlicht gab, fragten, ob dieser wegen seiner Sünden oder wegen der Sünden seiner Eltern mit Blindheit gestraft worden sei. Und so geschieht es denn, daß der Herr manchen seine Gnaden nicht deshalb mitteilt, weil diese heiliger sind als andere, sondern damit seine Größe offenbar werde, wie wir dies am hl. Paulus und an Magdalena sehen, sowie auch, damit wir ihn preisen in seinen Geschöpfen.
