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Bibliothek der Kirchenväter
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Works Makarios Magnes Kommentar zur Kritik des Neuen Testaments

I. Die Überlieferung des Werks des Macarius.

Der Jesuit Franciscus Turrianus († 1584) hat in seinen Schriften zahlreiche längere und kürzere Mitteilungen aus dem Werke eines Macarius Magnes (libri V) gemacht, das er in der Bibliothek zu Venedig gefunden hatte.1 Die Handschrift, welche dasselbe enthielt, war ein Papiercodex von 104 Blättern; Näheres wissen wir von ihr nicht; denn Turrianus hat sie nicht beschrieben2 , und bereits in der Zeit zwischen 1552 und 1637 ist sie spurlos verschwunden, ohne daß ein anderer über sie berichtet hätte. Daß es eine junge Handschrift gewesen ist, läßt sich mit Grund vermuten; denn sie war sehr eng beschrieben. Durch eine Berechnung auf Grund einer Vergleichung mit der Seitenzahl der Handschrift von Athen (s. u.) läßt sich nämlich feststellen, daß im Venetus etwa 45 Zeilen mit je 54 Buchstaben auf der Seite gestanden haben müssen, oder 40 Zeilen mit je 60 Buchstaben. Hieraus muß geschlossen werden, daß die Handschrift mit vielen Abkürzungen geschrieben war, da jede Seite etwa 1 ½ gewöhnliche S. 2 Druckseiten umfaßt, also sich nicht durch hohes Alter ausgezeichnet hat3. Ist diese Handschrift 4spurlos verschollen, so gilt dasselbe leider von zwei anderen. Zwei unteritalienische Handschriften werden nämlich durch das Reisetagebuch des Janos Laskaris i. J. 1491/2 bezeugt, eine in Corigliano 5und eine in dem Kloster auf dem Berg Sardo 6. Außer Laskaris hat sie niemals wieder jemand gesehen; auch bei meinen Nachforschungen nach griechischen Handschriften in Corigliano i. J. 1879 habe ich nichts gefunden.7

Um so erfreulicher war es, als bekannt wurde, daß der französische Gelehrte Blondel i. J. 1867 eine Handschrift des Apocriticus in Athen aufgestöbert hatte. Er fand sie im Privatbesitz als Eigentum des Herrn Apostolides, früheren Conservators der Nationalbibliothek zu Athen. Apostolides hatte sie aus Epirus und zwar, wie es scheint, von Jannina aus 8 erhalten.9 Leider war die Handschrift stark verstümmelt. Sie beginnt mitten im Wort im 7. Capitel des II. Buchs und bricht mitten im Wort im 30. (letzten) Capitel des IV. Buchs ab10. Es fehlen also zwei Bücher vollständig und vom 2. Buch sechs Capitel und der Anfang des siebenten.

Blondel hat die ganze Handschrift aufs sorgfältigste und genaueste abgeschrieben. Sie umfaßt 125 Papierblätter »in forma S. 3quarta minore, saeculo quinto vel sexto decimo, ut videtur, exarata; folia haud pauca, praecipue in fine, superiore margine nonnihil madore corrupta sunt, ut tamen commode legi possint; in margine ipsa prima manus correctiones addidit, atramento pallidiore, quasdam etiam aliae manus recentiores, quarum una hodierna«,11 Als Blondel aber die Vorbereitungen zur Edition der Handschrift noch nicht beendigt hatte, starb er. Sein Freund Foucart übernahm es, die Herausgabe zu Ende zu führen, und legte die Ausgabe i. J. 1876 vor12. Duchesne gab dann eine sachliche Einleitung hinzu in seiner oben genannten Schrift13.

Die Edition ist so gefaßt, daß bis III, 10 (incl.) auch alle Itacismen, Schreibfehler und die gleichgültigsten Kleinigkeiten (Compendien) der Handschrift mitgeteilt sind. Man darf annehmen, daß Blondel selbst die ganze Handschrift so herauszugeben gedacht hat; allein Foucart glaubte, dieses Verfahren nicht fortsetzen zu sollen. Von c. III, 11 ab ist nur das Wichtigste und Wichtigere an Fehlern mitgeteilt14 — m. E. mit vollem Recht; nur konnte Foucart nicht wissen, daß die Handschrift, kaum aufgetaucht, wieder verschwinden würde. Hätte er das geahnt, würde er wohl das Verfahren Blondels fortgesetzt haben. Die Handschrift ist wirklich nicht mehr aufzutreiben. »Als Apostolides starb, suchte seine Witwe den Codex zu verkaufen«, schreibt Schalkhausser15; »in wessen Hände er gelangte, konnte S. 4ich nicht erfahren. Ich vermutete, er sei in die National-Bibliothek zu Athen gekommen. Im Kataloge der griechischen Handschriften dieser Bibliothek, den J. und A. Sakellion herausgaben (1892), ist er jedoch nicht verzeichnet.« Und S. 202 fügt Schalkhausser hinzu: »Hr. Dr. Themistocles Bolides, Conservator der Handschriften an der National-Bibliothek zu Athen, hatte die Freundlichkeit, auf meine Anfrage mir unter dem 25. April 1907 zu antworten: >Der Codex, welcher den Άποκριτικός des Macarios Magnes enthält, befindet sich nicht in unserer National-Bibliothek und alle meine Recherchen zur Auffindung desselben blieben leider bis heute resultatlos.«

Das ist ein unbegreiflicher und höchst schmerzlicher Verlust! Die, wie wir sehen werden, in mancher Hinsicht wichtigste Streitschrift gegen das Christentum aus der alten Zeit der Kirche, die im Apocriticus steckt und mit diesem noch am Anfang des 16. Jahrhunderts in vier oder doch mindestens drei Handschriften vorhanden gewesen ist, liegt jetzt in keiner Handschrift mehr vor! Die Blondel-Foucartsche Ausgabe muß uns nun die Handschriften ersetzen! 16

Wenn ich es offen ließ, ob das Werk am Anfang des 16. Jahrhunderts in vier oder in drei Handschriften existiert hat, so bin ich nicht der Meinung, der Atheniensis sei mit dem Venetus identisch; denn diese bisher sehr verbreitete Meinung hat Schalkhausser aufs gründlichste widerlegt17; wohl aber ist es möglich, daß der Venetus sei es mit der Handschrift von Corigliano, sei es mit der vom Kloster des Berges Sardo identisch ist. Wahrscheinlich ist freilich auch diese Annahme nicht; denn Laskaris, der den Titel des Werks in den beiden unteritalienischen Codices angibt, hat das »ἢ μονογενής«, welches der Titel in der Fassung des Atheniensis bietet (s. darüber unten), nicht gelesen.

Von dem Apocriticus des Macarius ist uns also nur wenig mehr als die Hälfte erhalten, d. h. etwas mehr als 2 ½ Bücher; denn Turrianus, der noch die Schrift im Venetus vollständig vor sich hatte, hat leider aus den uns fehlenden Büchern nur S. 5sehr Weniges und Unbedeutendes citiert, und für die griechische Streitschrift, welche im Apocriticus widerlegt ist, läßt sich aus diesen Citaten fast gar nichts gewinnen.18

Aber ist das Buch nicht in jenen Jahrhunderten, in welche die (verlorenen) Handschriften nicht hinaufreichen, benutzt und ausgeschrieben worden? Auch hier ist die Ausbeute eine sehr geringe, doch fehlt sie nicht ganz. Dem Nicephorus I., Patriarchen von Konstantinopel (806—815), wurden im Bilderstreit von den Ikonoklasten Excerpte entgegengehalten, die die Aufschrift trugen: Τοῦ ἁγίου Μακαρίου ἐκ τῆς τετάρτης βίβλου τῶν Ἀποκριτικῶν. Dem Patriarchen war das Werk und der Autor ganz unbekannt; aber nach langem Suchen gelang es ihm, ein Exemplar des Werks, geschmückt mit dem Bilde des Autors in bischöflicher oder priesterlicher Tracht, aufzutreiben. Den Titel citiert er also: Βίβλος Μακαρίου Μάγνητος Ἱεράρχου. Er studierte es, fand, daß das Werk mehr als 300 Jahre nach der Apostelzeit verfaßt worden, daß es einem gewissen Theosthenes gewidmet sei und die in extenso mitgeteilten Widerlegungen der Quaestiones eines ungenannten »Aristotelikers« enthalte. Er selbst excerpierte es nun im Interesse der Widerlegung der Ikonoklasten und schrieb aus diesen Excerpten die Epikrisis seiner »Antirhetica«19. Diese hat Pitra im Spicilegium Solesmense I (1852) S. 302—335 aus dem Codex Paris., olim Colbert. 354, deinde Regius 2044, nunc 911 zum ersten Male veröffentlicht. 20

Das Werk, welches Nicephorus ausgeschrieben hat, ist unser Apocriticus. Aus den Quästionen des Philosophen ist aber leider sehr weniges, nämlich nur IV, 20. 21, mitgeteilt, aus den Solutiones des Macarius etwas mehr. 21 Die Vergleichung dieser indirecten Überlieferung mit der Handschrift von Athen lehrt, daß die Substanz des Textes in dieser nicht schlecht überliefert ist (zahllos sind die Schreibfehler, Sorglosigkeiten und Flüchtigkeiten S. 6des recht ungebildeten Schreibers). Dasselbe lehrte übrigens auch schon ein genaues Studium der Handschrift selbst. Der Text ist augenscheinlich selten abgeschrieben worden und daher vor theologischen und sonstigen Eingriffen bewahrt geblieben.22

Hiermit ist in Kürze die Überlieferangsgeschichte unseres Werks — andere Schriften des Macarius Magnes lassen wir beiseite — rschöpft. Zu erwähnen ist nur noch, daß sich die Ausführung des Macarius über die Eucharistie (Apocrit. III, 23) in mehreren Handschriften durch Vermittelung des Sammelwerks des Johannes Antiochenus findet. 23

Macarii Magnetis quae supersunt ex inedito codice edidit C. Blondel, Paris., 1876. Die Vorrede ist von P. Foucart unterzeichnet.


  1. S. zum Folgenden Schalkhausser, Zu den Schriften des Makarios Magnes, in den Texten u. Unters. Bd. 31, 4 S. 1—218 (1907). Hier ist mit unübertrefflichem Fleiße alles, was sich auf die Überlieferungsgeschichte der Werke dieses Macarius bezieht, gesammelt. ↩

  2. Schalkhausser S. 27. 29f. Daß sie 5 Bücher umfaßte, im Venetus vollständig erhalten war und jedes Buch eine besondere Überschrift besaß, darüber s. a. a. O. S. 32 ff. ↩

  3. Die vagen und übertriebenen Angaben des Turrianus über das Alter kommen nicht in Betracht (Schalkhausser S. 34f). ↩

  4. Daß sie aus dem Vermächtnisse Bessarions stammt, läßt sich nicht nachweisen, s. Schalkhausser S. 96 ff; jedoch bleibt dieser Ursprung möglich. Bis zum J. 1524 läßt sich der Besitz der Handschrift in der Marciana hinaufführen. Wo sie geschrieben worden ist, ist unbekannt. ↩

  5. Dieses liegt nicht in der Terra d’Otranto, wie Schalkhausser meint, sondern in Calabria citeriore, nahe bei Rossano. ↩

  6. Schalkhausser S. 14f. ↩

  7. Es fanden sich in Corigliano überhaupt keine griechischen Handschriften mehr. ↩

  8. S. Duchesne. De Macario Magnete et scriptis eius (1877) p. 5. ↩

  9. Ein handschriftlicher Vermerk auf fol. 1 (recto) unten lautet: Κτῆμα Γ. A. Κοϊμιντζῆ τοῦ ἐκ| κωμοπόλεως Συράκου τῆς Ἠπείρου. Syraku liegt etwa 4 Meilen südöstlich von Jannina. ↩

  10. Doch kann vor dem Schluß des Buchs nur noch sehr weniges gefehlt haben. ↩

  11. Foucart in der Ausgabe p. VI (s. die folgende Anmerkung). Daß einem der Correctoren noch eine zweite Handschrift zu Gebote stand, läßt sich m. E. nicht erweisen. Duchesne bezeichnet den Codex als »prave scriptus, multis lacunis«. ↩

  12. ΜΑΚΑΡΙΟΥ ΜΑΓΝΗΤΟΣ ΑΠΟΚΡΙΤΙΚΟΣ Η ΜΟΝΟΓΕΝΗΣ, ↩

  13. Gleich darauf erschien die für die historischen Fragen grundlegende Anzeige von Möller in der Theol. Lit.-Ztg. 1877 Nr. 19. ↩

  14. »Codex de integro excussus est, sed paucissima accesserunt ad apographum a Blondelio strenue et perite confectum, in annotatione parcior fui; compendia scripturae, lapsus calami et cetera ad palaeographiam pertinentia minimo damno iam omitti posse existimavi, cum eadem a Blondelio in primis foliis diligentissime signata specimen satis amplum scripturae praeberent, et codex Macarii a ceteris eiusdem aetatis codicibus non discreparet« (p. VII). ↩

  15. S. 5 f. ↩

  16. Bzw. die Abschrift Blondels, die, wie man vermuten darf, sich in Paris befindet. ↩

  17. S. S. 27. 109 ff. Entscheidend ist ja bereits die verschiedene Blätterzahl. ↩

  18. Peinlich genaue Nachweisungen seiner Citate bei Schalkhausser S. 18-81. ↩

  19. Er hält übrigens den Macarius nach seinem Werke für einen bösen Origenisten und ganz schlimmen Ketzer. ↩

  20. Benutzt war die Handschrift schon von Boivin und M. Crusius worden. ↩

  21. Darunter auch ein kurzes Stück mit dem I. Buch des Apocriticus — das einzige Fragment, welches wir aus diesem Buche besitzen.  ↩

  22. Die Quaestiones sind besser überliefert als die Solutiones mit ihrem theologischen Inhalt und ihrer überladenen Sprache. ↩

  23. S. über diese Stücke Duchesne p. 4ff, Schalkhausser S. 6ff ↩

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