5.
Gleichwie nun die in dem Baumeister zuvor entworfene Stadt nicht ausserhalb eine Stätte hatte, sondern nur der Seele des Künstlers eingeprägt war, ebenso hat auch die aus den Ideen bestehende Welt keinen andern Ort als die göttliche Vernunft, die dieses alles geordnet hat. Denn welchen andern Wohnsitz für die göttlichen Kräfte könnte es wohl geben, der geeignet wäre, ich sage nicht alle, sondern auch nur eine einzige, welche es auch sein mag, unverändert aufzunehmen und zu fassen? Eine göttliche Kraft aber ist auch die weltschöpferische, die als Quelle das wahrhaft Gute hat. Denn wenn einer die Ursache erforschen will, warum eigentlich dieses All geschaffen wurde, so scheint er mir das Ziel nicht zu verfehlen, wenn er behauptet — was übrigens auch schon einer der Alten gesagt hat (Plato Tim. 29e: „aus Güte hat Gott die Welt geschaffen, in seiner Güte und Neidlosigkeit wollte er, dass alles gut und vollkommen gleich ihm werde." Diese Anschauung, dass Gottes Güte die Ursache der Weltschöpfung sei, ist auch echt jüdischl. Vgl. Weishl. Sal. XI 24: ,,Du liebst alles, was da ist, und verabscheust nichts, was du geschaffen hast, denn nicht hättest du etwas geschaffen, wenn du es hasstest." Im täglichen Morgengebet heisst es: „und in seiner Güte erneuert er an jedem Tage beständig das Schöpfungswerk".) — gütig sei der Vater und Schöpfer; deshalb hat er seine vollkommene Natur nicht der Materie vorenthalten, die aus sich selbst nichts Edles hat, aber die Fähigkeit besitzt alles zu werden. Denn von selbst war sie ungeordnet, eigenschaftslos, lebloss, ungleich, voll Verschiedenartigkeit, Disharmonie und Missklang; sie empfing aber ihre Veränderung und Umwandlung in die vorzüglichen Gegensätze, in Ordnung, Beschaffenheit, Beseeltsein, Gleichheit und Gleichartigkeit, Harmonie und Wohlklang und alle anderen Eigenschaften der besseren Art.
