Euagrius
Die Anhänger des Eustathius, die Eustathianer, schlossen sich in Antiochia gegen die Arianer zu einer Sondergemeinde unter dem Presbyter Paulinus zusammen; dieser wurde 362 im Dezember zu ihrem Bischof geweiht. 388 trat an seine Stelle der antiochenische Presbyter Euagrius1bis 393. Hieronymus erwähnt von ihm (vir. ill. 125) einige Traktate und die lateinische Übersetzung der Vita des Antonius; das ist alles, was wir von seiner literarischen Tätigkeit wissen, und man S. 682 darf annehmen, daß er auch nicht mehr produziert hat, als uns sein Freund Hieronymus, der ihn einen Mann acris et ferventis ingenii nennt, berichtet.
Was läßt sich über die Entstehung der lateinischen Vita des Antonius ermitteln? Die griechische Vita ist 357 oder 365 entstanden und war offenbar für den Westen des Reiches bestimmt. Nun brauchte man aber hier eine lateinische Fassung; Euagrius kam um 362 nach Italien; hat er die Übersetzung in Italien unter dem Einfluß seines Freundes Hieronymus gefertigt, und das ist das Wahrscheinliche, so ist der Ansatz 365 zu verwerfen. Freilich ist bei den persönlichen Beziehungen, die sich früh zwischen Athanasius und Euagrius angesponnen haben, auch die Möglichkeit nicht ganz abzuweisen, daß Euagrius seine lateinische Übertragung mit nach dem Westen nahm. Nach der Rückkehr des Euagrius aus Italien, die 369 oder 370 erfolgte, kann die Arbeit nicht geschrieben worden sein; denn sein Gefährte Innozentius, an den die Widmung der lateinischen Fassung gerichtet ist, starb bald nach der Ankunft in Syrien.
Über die Arbeitsweise des Euagrius läßt sich nur das Eine sagen: Er übersetzt nicht, er überträgt, und zwar so frei, daß er über das Maß dessen, was er sich nach seiner Äußerung im Prolog erlauben darf, hinausgeht. Vor allem kürzt er, nur selten bringt er mehr, manchmal mit dem Bestreben. dem Römer verständlicher zu werden. Von treuer Wiedergabe des Wortlautes ist keine Rede, Umstellungen sind ganz gewöhnlich, nur in einem Punkte hat er Respekt vor seiner Vorlage: Die Bibelstellen bringt er so ziemlich wie der griechische Text. Man kann nicht gerade behaupten. daß die Übertragung eine erfreuliche Leistung darstellt.
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O. Bardenhewer, Patrologie, 3. Aufl., Freiburg i. B. 1910, S. 274. Wetzer-Welte, Kirchenlexikon, 2. Aufl. Bd.4, Sp. 1030. BZ (= Byz. Zeitschrift) 6 (1897) S. 194; 11 (1902) S. 514. ↩
