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Œuvres Grégoire de Tours (538-593) Historiarum libri x Einleitung & Vorrede in die Zehn Bücher Fränkischer Geschichte
Einleitung.

2.

Gregor schrieb die Geschichte der Franken als Römer, seiner Abkunft, wie seiner Bildung nach. Er bezeichnet häufig die Franken als Barbaren und rühmt sich seiner römischen Abstammung. Seine Familie gehörte zu den angesehensten Galliens in S. XIV der Zeit der fränkischen Eroberung, ja er selbst nennt sie geradezu die erste. Wiederholentlich bezeichnet er sie als eine senatorischez so wurden nämlich die Geschlechter genannt, die von Männern abstammen, die entweder hohe Reichswürden bekleidet hatten oder durch kaiserliche Ernennung zu Titular-Senatoren ernannt waren. Wie viel Gewicht aber auch Gregor aus diesen seinen Adel legte, noch höher schlug er doch die Bedeutung an, welche sein Haus in der Kirche Galliens gewonnen hatte. Viele Mitglieder desselben hatten sich nach der Sitte der Zeit dem geistlichen Stande gewidmet, waren in demselben zu den höchsten Würden emporgestiegen und« hatten hierdurch ihrer Familie einen Glanz verliehen, der die weltlichen Ehren derselben weit überstrahlte. ·

Der Großvater Gregors war der Senator Georgius zu Clermont1, der sich mit Leocadia aus dem Geschlechte des Vettius «Epagathus, des gefeierten Märtyrers von Lyon, vermählte. Aus dieser Ehe entsprangen zwei Söhne: Gallus, der vom Jahre 525 bis 551 Bischof von Elermont war und den Namen eines Heiligen gewann2, Hund Florentius der im weltlichen Stande lebte und Armentaria, eine Enkelin des hochgepriesenen heiligen Bischofs Gregorius von Langres3, zur Ehe nahm. Armentarias Geschlecht war nicht minder angesehen, als das ihres Gemahls. Ihre Oheime waren von väterlicher Seite der Bischof Tetricus von Langres4, der Sohn und Nachfolger des heiligen Gregorius von Langres, von mütterlicher der heilige Nicetius, Bischof von Lyon5, und der Herzog Gundulf6 auch der Bischof Eufronius von Tours, ein Enkel des heiligen Gregorius, war ihrem Hause verwandt7. Die Bischofsstühle von Langres und Tours erhielten sich gleichsam erblich in ihrer Familie. Mit Ausnahme von fünf S. XV "Bischöfen, sagt Gregor, seien alle seine Vorgänger zu Tours seinem Hause verwandt gewesen8. Armentaria gebar ihrem Gemahl drei Kinder: Petrus, der sich dem geistlichen Stande widmete und als Diakon zu Langres ein unglückliches Ende fand9, seine Tochter, die später einem gewissen Justinus10 vermählt wurde, und unseren Gregor, der ursprünglich den Namen Georgius Florentius führte und erst später aus Verehrung gegen den Großvater seiner Mutter den Namen annahm, unter dem er berühmt geworden ist11.

Gregor wurde am 30. November 538 oder 58912 in der Hauptstadt der Auvergne, damals Arverna, jetzt Clermont genannt, geboren. Diese Stadt, die Wiege seines Geschlechts, hatte in den letzten Zeiten der Römerschaft eine große Bedeutung gewonnen. Sie hatte in der Mitte des fünften Jahrhunderts in Avitus Rom einen Kaiser gegeben und« nicht minderen Ruhm durch dessen Eidam Sidonius Apollinaris erlangt, einen Mann, der sich durch seine Geschicklichkeit in weltlichen Geschäften, seine würdige Führung des bischöflichen Amtes und seine gelehrte Bildung in gleicher Weise hervorgetan hatte13. Aber in die Kämpfe jener Zeit hineingezogen, erlitt die blühende Stadt viele Unsälle. Drei Jahre lang leistete sie den Westgothen Widerstand, mußte S. XVI sich aber im Jahre 474 ihnen endlich ergeben. Dann unterstützte sie im Kampfe gegen Chlodovech die Westgothen mit ihren besten Kräften, auf dem vocladensischen Felde fielen im Jahre 507 ihre angesehensten Männer unter dem Schwerte der Feinde, und sie selbst geriet unter die Herrschaft der Franken14. Jhre Blüte war geknickt, aber noch immer nahm sie unter den gallischen Städten eine der ersten Stellen ein. Sie war der Sitz eines fränkifchen Grafen, wie sie seit geraumer Zeit eine bischöfliche Kirche in sich schloßz so bildete sie den Mittelpunkt eines ausgedehnten Gaues, der, obwohl hoch im Gebirge gelegen, doch fruchtbare Täler, wie die Limagne von Clermont, umschloß. Jn ihrer Diözese lag Brioude, wo der heilige Julianus begraben lag, dessen Verehrung damals in Gallien blühte und an dessen Grabe zahllose Wunder geschehen sollten. Die Stadt wurde hierdurch ein vielbesuchter Wallsahrtsort Bei der Teilung unter Chlodovechs Söhnen fiel die Auvergne an Theuderich, dem zugleich die Herrschaft über Austrasien zuteil wurde. Die Anvergnaten wollten sich aber seiner Gewalt entziehen und sich Childebert anschließm Eine Empörung brach aus, wurde jedoch unter« drückt, und Theuderich nahm eine erbitterte Rache an den treulosen Untertanen. Jhr Land wurde von ihm und seinem Vetter Sigivald in den Jahren 582 und 538 arg verwüstet15. Seitdem blieb die Auvergne unter der Merovingischen Linie, welche Austrasien beherrschte. Unter Theudebert, Theuderichs Sohn, wurde Gregor geboren. Mit Theudeberts Sohn Theudebald starb diese Linie im Jahre 555 aus, und die Auvergne fiel an Chlothar 1. ——— Chramn, ein Sohn Chlothars, nahm seinen Sitz zu Clermont und widerstand nicht dem lockenden Gedanken, sich hier schon bei Lebzeiten des Vaters eine eigene Herrschaft zu gründen. Er verband sich deshalb mit seinem Oheim Childebert, und im Jahre 557 wurde die Auvergne abermals Schauplatz S. XVII eines erbitterten Kampfes16. Aber schon im folgenden Jahre starb Childebert, und die gesamte sränkische Monarchie kam unter Ehlothars Zepter. Chramn fand nach zwei Jahren unseligen Umherirrens ein unglückliches Ende17. Diese letzten Ereignisse, welche Clermont schwer betrafen, hatte Gregor als Knabe und Jüngling miterlebt, sie ließen die ersten dauernden Eindrücke in seiner Seele, wiederholentlich kommt er auf sie zurück.

Seine persönlichen Schicksale waren nicht minder trübe. Sein Vater starb früh. Seine Erziehung wurde deshalb seinem Oheim Gallus übertragen, der in dem Rufe großer Heiligkeit stand. Unter dessen Leitung entschied sich schon früh seine Neigung für den geistlichen Stand. Der Entschluß in denselben zu treten reiste durch eine wunderbare Errettung aus einer schweren Krankheit am Grabe des heiligen Jllidius zum Gelübde. Gallus starb, als Gregor noch ein Knabe war, und Gregors Mutter, an der er mit ganzer Seele hing, verließ Elermont und begab sich nach Burgund, wo ihre Verwandten lebten. Gregor blieb unter der Obhut des Avitus, eines angesehenen und in den heiligen Schriften wohlbewanderten Priesters in seiner Vaterstadt zurück18. Das Bistum erhielt der Archidiakon Cautinus, dessen Amtsführung Gregor scharf tadelt. Clermont sah unter ihm mindestens nicht die besten Zeiten. Die erwähnte Empörung Chramns und der Ausdruck) der Pest19 waren für die Stadt gleich traurige Ereignisse.

Gregor wurde von Avitus zum Studium der geistlichen Schriften angehalten, während er, wie er selbst gesteht20, in der Grammatik und den weltlichen Wissenschaften nicht einmal den dürftigen, damals gewöhnlichen Unterricht erhielt. Als er zum Jüngling erwachsen und bereits in den geistlichen Stand ge- S. XVIII treten war, machte er wiederholentlich Reisen nach Burgund, um seine Mutter und deren Oheim, den Bischof Nicetius von Lyon, zu besuchen.

Jm Jahre 563 überfiel Gregor ein heftiges Fieber. Die Krankheit wicl) nur langsam, und er meinte allein durch die Wundermacht des heiligen Martinus, der für den mächtigsten Heiligen Galliens galt, vollständige Heilung gewinnen zu können. Noch schwach, machte er sich auf den Weg, um am Grabe des Heiligen zu Tours sein Gebet zu verrichten. Neue heftige Anfälle der Krankheit erfuhr er auf der Reise, man suchte ihn von der Fortsetzung derselben abzubringen, aber er beharrte in seinem Vorfatze, gelangte nach Tours und fand am Grabe des Heiligen wirklich die gehoffte Genesung. Die Reise scheint für sein ganzes weiteres Leben entscheidend gewesen zu sein. Er knüpfte wohl schon damals durch den Bischof Eufronius, der ihm verwandt war, die Verbindungen an, durch die er etwa zehn Jahre später dessen Nachfolger wurde.

Nach dem Tode Chlothars I. im Jahre 561 war die Au— vergne, wie auch Tours, an Sigibert, den tüchtigsten der Söhne dieses Königs, gekommen. Sigibert scheint dem Kreise, welchem Gregor angehörte, besonders gnädig gewesen zu sein. Durch ihn erhielt Avitus, der väterliche Erzieher Gregors, der damals Archidiakon der Kirche zu Clermont war, trotz mächtiger Gegner im Jahre 571 die bischöfliche Würde in dieser Stadt21; durch ihn wurde etwa zwei Jahre später22 Gregor selbst zum Bischof von Tours eingefetzt, als die Geistlichkeit und Bürgerschaft dieser Stadt bei der Erledigung des bischöflichen Stuhls ihre Wahl auf ihn gerichtet hatten. Gregor war etwa in der Mitte der dreißiger Jahre, als er so zu den höchskeU geistlichen Würde« S. XIX gelangte und von dem Bischof Aegidius von Reims die Weihe erhielt.

Nicht ohne Einfluß auf seine Ernennung war die Gunst der heiligen Radegunde, die damals in dem von ihr gestifteten Kloster zu Poitiers lebte. Diese merkwürdige Frau, die Tochter des Thüringerkönigs Berthachar, hatte Ehlothar, als sie. der Krieg ihm als Beute in die Hände lieferte, sich zur Gemahlin ausersehen und sich in der Folge mit ihr vermählt; aber die einem beschaulichen Leben zugewandte edle Frau floh den Glanz und die Gräuel des Hofes und suchte die Einsamkeit und den Frieden einer engen Zelle23 Ehlothar, der, wie er selbst sagte, in ihr eine Nonne, nicht ein Eheweib fand, hatte zuletzt in eine Trennung von ihr gewilligt und ihr erlaubt, zu Poitiers, von der Welt abgeschieden, zu leben. Hier hatte sie eine Schar von jungen Mädchen um sich gesammelt und dieser Kongregation die klösterliche Regel des heiligen Eäsarius verliehen. Jhre Pflegetochter Agnes stellte sie als Äbtissin an die Spitze des Klosters und ordnete sich in Demut selbst ihr unter, einem Mädchen, dem sie in jeder Beziehung weit überlegen war. Dieses Kloster war in den Stürmen einer zügellosen Zeit ein Asyl für das Unglück und die bedrängte Unschuld hilflosersJungfrauen, deren Abgeschiedenheit das Gebet tröstete, wissenschaftliche Beschäftigungen und Spiele erheiterten. Um das Jahr 565 machte Radegunde die Bekanntschast des italienischen Dichters Venantius Honorius Elementianus Fortunatus, der, aus demsTrevisanischen gebürtig, nach Tours gekommen war, um dem heiligen Martinus seine Verehrung zu beweisen, am Hofe König Sigiberts eine sehr sreundliche Aufnahme fand und sich dann nach Poitiers begab, wo die heilige Radegunde ihn dauernd fesselte. Fortunatus trat in den geistlichen Stand und wurde der vertraute Ratgeber und Freund Radegundens und ihrer Pflegetochter Agnes S. XX Fortunatus zeichnete sich durch jene weltliche Schulbildung des Altertums aus, die mit dem Verfall des römischen Reichs im Abendlande ihrem Untergange schnell entgegenging, und rascher noch in den Provinzen, als in Italien selbst. Sie beruhte auf der Grundlage der klassischen Literatur, neigte sich aber immer mehr einer dürren philologisclyantiquarischen Gelehrsamkeit zu und trat nur in schwülstigen Nachahmungen antiker Muster hervor. Mit dem ganzen Leben der Zeit im schneidendsten Widerspruch, konnte sie es zu frischen und freien Produktionen nicht mehr bringen, sondern versuchte sich meist an bereits fertigen Stoffen des Altertums; dann wohl auch an christlichen, doch trat gerade hier der Widerspruch zwischen Form und Inhalt, die Unvereinbarkeit der neuen Anschauungsweise mit einem ihr ganz heterogenen Ausdruck auf das schärffte hervor. Fortunatus hatte eine leichte Auffassungsgabe und sich die Lehren der Grammatik, Rhetorik und Poetik, wie sie damals in den Schulen überliefert wurden, ohne Mühe angeeignet; es gelang ihm, worauf man besonderen Wert legte, nach dem Muster der Alten schnell eine Anzahl lesbarer Verse hinzuwerfen und in der Prosa einen Stil zu erkünfteln, der je geschraubter er war, um so mehr allen Anforderungen der Zeitgenossen entsprach. Noch im fünften Jahrhundert waren die Schulen der Grammatik und Rhetorik in Gallien in großer Blüte und weithin berühmt gewesen, eine Reihe namhafter Schriftsteller war aus ihnen hervorgegangen. Sie verfielen aber alsdann mit reißender Schnelligkeit; die gesuchte, stark gefärbte Ausdrucksweisc der gallischen Schule wurde immer mehr zum hohlen, leeren SchWUkfk UUV die Produktivität versiegte gänzlich. Nur hieraus ist es erklärlich, daß Fortunatus mit seinem mäßigen Talent ein s» Mlßw ordentliches Aufsehen in Gallien machte. An den HöfEU de! Könige war er ein gern gesehener Gast, die vornehmen Franken und Römer bemühten sich ihm durch Gastfrelltldfchafk VIII! Aufent- S. XXI halt auf ihren Gütern angenehm zu machen, besonders aber suchten die Bischöfe seine Freundschaft zu gewinnen, um den Gesang des berühmten Dichters zu ihrem Lobe zu stimmen. Alles, was auf Bildung Anspruch machte, drängte sich um ihn, und es unterliegt keinem Zweifel, daß er die Veranlassung wurde, daß die Beschäftigung mit den Wissenschaften in Gallien wieder etwas allgemeiner wurde, obwohl die Wirkungen nicht eben nachhaltig waren. Poitiers und das Kloster der heiligen Radegunde waren in der zweiten Hälfte des sechsten Jahrhunderts der Mittelpunkt der wiss enschaftlichen Bestrebungen Galliens24

Gregor stand diesem Mittelpunkt nahe genug. Schon bald nach Fortunatus Ankunft in Gallien scheint er mit ihm bekannt geworden zu sein und manche Anregungen von ihm erfahren zu haben. Denn Gregor, der in seiner Jugend nach seinem eigenen Geständnis nur die heiligen Schriften gelesen hatte, war in seinen späteren Jahren, wie seine Werke zeigen, nicht nur mit der theologischen Literatur seiner Zeit in ziemlichem Umfang vertraut, sondern kannte auch zum Teil die Schriftsteller des klassischen Altertums. Er führt Sallust, Virgil, Plinius und Gellius hier und da in seinen Büchern an25.

Daß Gregor mit Fortunatus zur Zeit seiner Erhebung bereits befreundet war, sehen wir ans einem Gedicht, worin der letztere dieses Ereignis feiert. So inhaltsleer dasselbe ist, wollen wir den Anfang hier wiedergeben:

Freue dich, gliickliches Volk, da des Herzens Wunsch dir gewähret, Denn dein Bischof erscheint, Gott sei dein Opfer gebracht.

Feiern soll es das junge Geschlecht, wie das Alter am Stabe, Feiern jeglicher Mensch, Segen wird allen bescheert.

S. XXII Kommtdoch der Gläubigen Hort, der Gemeinde Vater, der Stadt Schutz; Da Ihr der Htrte erscheint, juble die Heerde in Lust. Den sie mit ängstlichem Blick als Glück so heiß sich ersehnten, Er ist erschienen, ihr Aug’ schau es, es juble das Herz. Wie es sich ziemt und ihm es gebührt zum Bischof berufen, Weidet Gregor in der Stadt fürder die Heerde des Herrn, Den Aegidius heilige Hand dem Herren geweiht hat, Daß er regiere das Volk, den Radegunde verehrt. Sigibert und Brunichilde sie freuen sich seiner Erhebung, Denn nach des Königs Gebot wurde ihm Ehre und Macht. Die Verbindung Gregors mit Fortunatus war auch in der Folge eine sehr enge und nahe, wie wir aus den Werken beider deutlich erkennen. Gregor ehrte in Fortunatus die höhere Bildung und die reifere Erfahrung, denn Fortunatus war etwa zehn Jahr älter. Fortunatus erfreute sich dagegen des Wohlwollens und der Gunst des höhergestellten Freundes, die sich auch in mancherlei Geschenken ihm zu erkennen gaben. So schenkte Gregor ihm ein hübsches kleines Landgut an der Vienne, wofür Fortunatus in artigen Versen, die uns erhalten find, seinen Dank aussprach. Es war fortwährend zwischen den Freunden ein wissenschaftlicher Verkehr, und man teilte sich mit, was an Früchten der Muße gereift war.

Hoch gerühmt wird die Sorgsamkeit und Treue, mit der Gregor nicht nur sein geistliches Hirtenamt führte, sondern auch die äußeren Angelegenheiten der Stadt überwachte. Er vertrat die Stadt den Herrschern gegenüber mit Entschiedenheit und Klugheit, schützte sie nach Kräften gegen die Gewalttätigkeiten der Beamten und suchte den Wohlstand nnd Glanz derselben auf alle Weise zu heben. Unter seinem Vorgänger war Tours durch eine große Feuersbrunst verheert worden, alle Kirchen waren ausgebrannt und leere Ruinen. ZUM Teil fAUV GVESVV » die Kirchen bereits wiederhergestellt, aber gerade dieälteste unter ihnen, die Kathedrale, in welcher der heilige Martimls Und AIIE S. XXIII seine Nachsolger geweiht waren, lag noch in einem Schutthaufen. Gregor ließ sie schöner und größer, als sie gewesen war, her« stellen und weihte sie im Jahre 590 wieder zum gottesdienstlichen Gebrauche ein: ein für die Stadt sehr wichtiges Ereignis, das Fortunatus in einem besonderen Gedicht feierte. Auch für eine würdigere Ausstattung der anderen Kirchen trug Gregor Sorge und ließ sie namentlich mit Wandgemälden zieren26. Um eine blutige Fehde, welche unter den Bürgern ausgebrochen war und schweres Unheil über die Stadt zu bringen drohte, zu ersticken, schonte er selbst das Vermögen der Kirche nicht27. Als Childebert II. zu Tours die Kopfsteuer, welche frühere Könige daselbst nicht erhoben hatten, eintreiben lassen wollte, widersetzte sich Gregor mit Erfolg dieser Neuerung28. Jedem erwies er sich hilfreickh selbst seinen Feinden lieh er seine Vermittelung29 Deshalb fand Gregor trotz mächtiger Gegner schon bei seinen Lebzeiten in der Stadt große Anerkennung, und nach seinem Heim« gange verehrten sie ihn als Heiligen.

Es waren in der Tat schwierige Verhältnisse, unter denen Gregor über zwanzig Jahre lang die bischöfliche Würde zu Tours bekleidete. Gerade damals, als er in das Amt trat, war ein erbitterter Bruderkrieg zwischen den Königen Chilperich und Sigibert ausgebrochen, der durch die herrschsüchtigen Gemahlinnen der Fürsten, Fredegunde und Brunichilde, immer aufs Neue angefacht wurde. Um den Besitz von Tours und Poitiers drehte sich zum Teil die Entscheidung dieses Kampfes. Kurz vor Gregors Einsetzung war Chlodovech, Chilperichs Sohn, aus Tours mit Waffengewalt vertrieben und Sigiberts Herrschaft hergestellt worden. Bald darauf sandte aber Chilperich seinen Sohn Theudebert in diese Gegenden, er eroberte Tours und S. XXIV Poitiers und verwüftete die ganze Landschaft Nur auf kurze Zeit gab der Friede 573 Tours wieder in Sigiberts Hand. Schon im folgenden Jahre brach der Krieg aufs Neue aus. Theudebert, Ehilperichs Sohn, fiel im Kampfe, wie es scheint durch Verrat; einige Tage darauf fand Sigibert durch Meuchelmörder sein Ende. Ehilperich bemächtigte sich dann abermals der Stadt, die er bis zu seinem Ende im Jahre 584 behauptcte30

Gregor, von Sigibert und Brunichilde eingesetzt, war durch seine ganze Stellung an diese Fürstin und ihren damals noch ganz jungen Sohn Childebert gebunden, er konnte aber auch um deshalb keine persönliche Neigung für Ehilperich fassen, weil dieser sich vielfache Gewalttätigkeiten besonders gegen die Kirche erlaubte. Chilperich, ohnehin Gregor nicht gewogen, wurde auf ihn noch mehr erbittert, als gerade feine entschiedensten Gegner zu Tours in der Kirche des heiligen Martinus eine Zuflucht fanden: sowohl Guntchramn Boso, der Theudeberts Tod in der Schlacht veranlaßt haben sollte, wie bald darauf sein eigener Sohn Merovech, der den Vater verlassen und sich mit Brunichilde vermählt hatte. Als Gregor die Auslieferung dieser Flüchtlinge verweigerte, bot Ehilperich sein Heer auf, sie zu vertreiben31. Auch nahm sich in der Folge Gregor des Bischofs Prätextatus von Rouen an, der die Ehe Merovechs mit Brunichilde eingesegnet hatte und auf mehrfache Beschuldigungen hin vor der Synode zu Paris im Jahre 577 des Hochverrats angeklagt wurde. Gregor erwirkte, daß die Bischöfe nicht nach Fredegundens Rachsucht, sondern nach den kirchlichen Bestimmungen das Urteil sprachen32. — Unter diesen Umständen meinte ein gewisser Leudast, der aus niederen Dienstverhältnissen bis zum Grafen von Tours aufgestiegen, dann aber wohl nicht ohne besondere Veranlassung Gregors abgesetzt war, sich neben der S. XXV Befriedigung seiner persönlichen Rachsucht in den Augen des Königs ein besonderes Verdienst zu erwerben, wenn er Gregor zu Falle brächte Er beschuldigte ihn, die Königin Fredegunde eines leichtfertigen Lebenswandels geziehen zu haben, und suchte diese Beschuldigungen durch falfche Zeugen glaublich zu machen. Wirklich kam es so weit, daß ein gerichtliches Verfahren gegen Gregor eingeleitet und der Shnode zu Braine im Jahre 580 die Entscheidung der Sache übertragen wurde. Gregor reinigte sich durch einen Eid von der ihm beigemefsenen Schuld und ge« wann durch sein kluges und vorsichtiges Benehmen damals den König Ehilperich so für sich, daß er in der Folge nicht nur von ähnlichen Belästigungen verschont blieb, sondern auch mannigfache Gunstbeweise von ihm erhielt33 Dessenungeachtet fah Gregor immer Ehilperichs Herrschaft als eine Tyrannei an und blieb im Herzen Brunichilde und ihrem Sohne Childebert getreu. Er stellt in seiner Fränkifchen Geschichte Chilperich einem Nero und Herodes zur Seite34.

Als Chilperich im Jahre 584 durch Mord fiel, bcmächtigte sich zuerst König Guntchramn der Stadt Tours35. Gregor stand schon seit längerer Zeit bei diesem Könige in großer Gunst und erfuhr auch jetzt Beweise des Vertrauens und der Auszeichnung. Dennoch begrüßte er es gewiß freudig, als Guntchramn im folgenden Jahre Tours mit allen Städten, die früher Sigibert besessen hatte, an Ehildebert abtrat36. Von dieser Zeit an konnte sich Gregor einer hervorragenden Stellung im fränkischen Reiche rühmen. Er besaß ganz das Vertrauen des Königs Childebert und seiner Mutter, besuchte oft den Hof37 und wurde in wichtigen Staatsangelegenheiten als Gesandter gebraucht. So sandte ihn Childebert im Jahre 587 an seinen Oheim Guntchramn, und Gregor, der von jeher sein Bestreben dahin gerichtet hatte, S. XXVI die Eintracht zwischen den Merovingern zu erhalten, bemühte sich auch damals mit glücklichem Erfolg das Mißtrauen zwischen Childebert und Guntchramn zu beseitigen38 Als Gunthramm im Anfange des Jahres 592 starb, fiel dessen ganzes Reich an Ehildebert Gregor beeilte sich seinem Herrn zu dieser Erweiterung seiner Macht Glück zu wünschen nnd begab sich zu ihm nach Orleans39. Es ist das letzte wichtige Ereignis, das Gregor in seinen Schriften berührt40. Er starb am 17. November [593 oder] 594, nachdem er etwa die Mitte der fünfziger Jahre erreicht und über einundzwanzig Jahre das Bistum Tours verwaltet hatte.


  1. Vergl. die Stammtafel Gregors.  ↩

  2. B. lV. KAP5s  ↩

  3. V· III· Rat« 15 und m.  ↩

  4. B. 1v. Kiyo. is.  ↩

  5. B. v. new. 5.  ↩

  6. B. VI— KapUs  ↩

  7. V— IV—Kap. 15. ↩

  8. B. V. Kap. 49.  ↩

  9. B. V. Kap. 5. ↩

  10. Eine aus dieser Ehe entsprungene Tochter Eusthenia war an einen gewissen Nicetius vermählt. B. V. Kap. 14. ↩

  11. Gregors Lebensnmstände sind uns nur aus seinen Schriften bekannt. Wir besitzen zwar eine ältere Lebensbeschreibung, welche im zehnten Jahrhunderte geschrieben zu sein scheint und [bald] einem Abt Odo [oon Eluny, bald auch Gregors Freunde Venantius Fortunatus] beigelegt wird, sie enthält aber meist auch nur Auszüge aus Gregors Schriften und was sie dem hinzusügt, ist von sehr zweifelhaften: Werte. Kries, Löbell und Monod haben in den weiter unten anzusührenden Schriften genaue Untersuchungen über Gregors Leben gegeben, [ebenso W. Arndt in der später zu nennenden Ausgabe der Monumente« Germaniaie historioasl Vergl. auch R. Köpke, Kleine Schkkften S. 305—307. Eine ausführliche französische Biographie von Lesvesrsue sde la Ravaliere läßt Kritik vermissen. ↩

  12. Richttger wäre zu sagen: gegen Mo; auch der Tag der Geburt ist nicht ganz sicher.] ↩

  13. B. ll. Katz. 22 und 2Z.  ↩

  14. V· H· Kqp. 37,  ↩

  15. B. 1II. Kap. 12. 13. 16. ↩

  16. B. lV. K"ap. 13. 16. 17. sDiese Kämpfe sind besser in das Jahr 556 zu setzen.] ↩

  17. B. Kap. 20.  ↩

  18. V. IV. Kap. 35.  ↩

  19. B. 1V. Kap. 31. ↩

  20. B. in der Einleitung zum ersten Buch. ↩

  21. V» 1V· Kap 35·  ↩

  22. Jm zwölften Jahre der Regierung SigibettT sag? Gregor im zweiten Buch von den Wundern des HEIIILZEU MUVUUUBO Ums führ a« das Jahr 573, ohne daß sich die Zeit näher angeben ließe] ↩

  23. Bd. 11I. Kap. it. 7. ↩

  24. [Zu einer giinstigeren Beurteilung des Dichters bahnt neuerdings den Weg W« Meyer UUZ SPUJEL Der Gelegenheitsdichter Venantitts FortunatusWlbhandlungen V« K· Gefsllfchaft der Wissenschaften zu Göttingen, N. F. Bd. 1V No. 5.] ↩

  25. lGellms und Plinius waren ihm jedoch nur dem Namen nach bekannt; seine Kenntnis von Sallust und Virgil ist mangelhaft. Vgl. über Gregors Bildung, jetzt, ubschl1eßend, M. Donner, Le latin de Gregoire de Tours 48 it]  ↩

  26. V— X— Kvps 31— ↩

  27. B. V11.Kap. 47.  ↩

  28. B. IX. Kap. so.  ↩

  29. B. v. Kap. its. B. Vl. Kap. 32. ↩

  30. B. 1v. Kap. 45. 47. 49——51. B. v. Kap. 4. 14 und 48.  ↩

  31. B. v.Kc1pM— ↩

  32. B. V. Kap. 18. ↩

  33. B. V. Kap. 47—-49.  ↩

  34. B. VI. Kap. 46.  ↩

  35. B. Vll. Kap. 12. is.  ↩

  36. B. vI1. Kap. as.  ↩

  37. V. VI11. Kap. is. ↩

  38. B. 1X. Kap. 20. ↩

  39. Von den Wundern des heiligen Martinus B. 1V. Kap. 37. ↩

  40. Die Lebensbeschreibung des Odo erzählt von einer Reise Gregors nach Rom, die er noch in seinen letzten Lebensjahren angetreten und auf der er Papst GWYVV den Großen persönlich kennen gelernt habe. Gregor selbst etWähUk UTVSEUVZ VIII? Reise, und die ganze Erzählung scheint keinen Glauben zu verdienen. ↩

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