4.
Während ich dies noch darlegte, winkte mir die Lehrerin mit der Hand und fragte: „Es wird doch nicht dein Geist von der geheimen Furcht verwirrt und beunruhigt, als ob die Seele nicht ewig fortdauere, sondern zugleich mit der Auflösung des Körpers vergehe?“ Ich aber ― infolge meiner Gemütsaufregung war ich noch immer nicht zu ruhiger Überlegung gekommen ― gab eine etwas unbedachte Anwort, ohne recht zu wissen, was ich sagte. Ich erklärte nämlich, die Schriftworte würden Befehlen gleichen, „durch die wir zur Annahme der ewigen Fortdauer unserer Seelen gezwungen werden. Nicht durch einen Vernunftgrund wurden wir zu diesem Glaubenssatz geführt, sondern unser Geist scheint durch eine Art innerer sklavischer Furcht den befohlenen Satz anzunehmen, nicht aber aus freiem Antrieb ihm beizustimmen. Gerade darum wird unsere Trauer um die Dahingeschiedenen besonders herb, weil wir nicht mit Bestimmtheit sagen können, ob jener Lebensfunke für sich allein noch existiert und wo er ist und in welchem Zustande oder ob er in keiner Weise und in keiner Form mehr existiert. Weil der wahre Sachverhalt so ungeklärt ist, halten sich die Meinungen für und wider die Wagschale und den einen scheint diese Meinung die Wahrheit zu treffen, den anderen die entgegengesetzte. Wenigstens gibt es bei den Griechen einige Philosophen, deren Namen einen guten Klang haben, welche die Sterblichkeit der Seelen annahmen und lehrten.“
